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Fleisch & Antibiotika: Die größten Mythen zum Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung im Faktencheck

16. Oktober 2019
Symbolbild Hand mit Medikamenten

Antibiotika in der Landwirtschaft sind ein kontroverses Thema. Doch was ist wirklich dran an den häufigen Behauptungen? Werden in der Massentierhaltung Antibiotika tatsächlich exzessiv eingesetzt? Welche Auswirkungen haben Antibiotika im Fleisch auf unsere Gesundheit? Und gibt es in Deutschland Antibiotika im Fleisch? Wir nehmen die gängigsten Behauptungen unter die Lupe.

Mythos 1: Bei Grippe ein Schnitzel – Wie viel Antibiotika steckt wirklich im Fleisch?

Grafik: Hilft bei Grippe ein Schnitzel?

Einfach erklärt werden alle in der Nutztierhaltung eingesetzten Medikamente einer zentralen gesundheitlichen Risikobewertung unterzogen. Dabei wurden bestimmte Werte für Rückstandshöchstmengen festgelegt, sogenannte MRL („Maximum Residue Limits“), die nicht überschritten werden dürfen. Diese Werte orientieren sich wiederum am ADI-Wert („Acceptable Daily Intake“), das heißt daran, wie viel wir als Verbraucher an Antibiotikaüberresten zu uns nehmen dürfen, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Um zu garantieren, dass diese Rückstandshöchstmenge nicht überschritten wird, gibt es schließlich eine vorgeschriebene Wartezeit zwischen Verabreichung von Arzneimitteln und Verarbeitung zu Lebensmitteln.

Aktuelle Untersuchungsergebnisse

Seit 1989 wird in Deutschland der Nationale Rückstandskontrollplan (NRKP) durchgeführt, um Lebensmittel tierischen Ursprungs wie Fleisch, Milch, Eier und Honig auf Rückstände unerwünschter Stoffe zu überprüfen. In 2017 wurden im Rahmen des Rückstandskontrollplanes insgesamt 1.594.000 Untersuchungen an 58.382 Proben von Tieren oder an tierischen Erzeugnissen durchgeführt. Bei nur 385 Proben wurden nicht vorschriftsmäßige Rückstände gefunden. Das entspricht nur 0,66 %.

Aktuellere Daten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) aus dem Jahr 2021 zeigen, dass 1.528.000 Untersuchungen an 54.000 Proben vorgenommen wurden, mit 361 nicht konformen Proben (0,67 %).

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Anteil der nicht vorschriftsmäßigen Rückstände in den letzten Jahren relativ stabil geblieben ist.

Fakt ist: Auch bei Grippe ist gegen ein Schnitzel nichts einzuwenden. Wer sich Linderung verspricht, wird allerdings auf andere Methoden zurückgreifen müssen.

Mythos 2: Antibiotika werden in der Tierhaltung willkürlich verabreicht

Grundsätzlich ist es zunächst so, dass Landwirte Arzneimittel und Antibiotika für ihre Tiere nur über einen Tierarzt bzw. eine Tierärztin beziehen können. Das regelt das sogenannte ‚Tierärztliche Dispensierrecht‘. In der Regel geben Tierärzte die Medikamente nur für den therapeutischen Einsatz aus und wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt ist. Zum einen müssen die kranken Tiere angemessen untersucht werden. Darüber hinaus kontrolliert der Tierarzt oder die Tierärztin sowohl die Anwendung als auch den Behandlungserfolg. Da Antibiotika nur zur Behandlung kranker Tiere eingesetzt werden dürfen, ist eine vorbeugende, prophylaktische Gabe in Deutschland nicht erlaubt.

Nicht ohne meinen Tierarzt!

Eine sogenannte metaphylaktische, also vorbeugende Behandlung ist dennoch möglich. Damit ist gemeint, dass bei hohen Erkrankungsrisiko durch ein oder mehrere erkrankte Tiere im Bestand auch andere Tiere behandelt werden dürfen, um die Gruppe zu schützen. Bei Ausbruch einer Erkrankung werden also sowohl die kranken Tiere therapeutisch als auch die gesunden Tiere metaphylaktisch behandelt. Nichtsdestotrotz ist auch bei dieser Art der Behandlung, die dem Schutz der anderen Tiere dient, die vorherige Diagnose durch einen Tierarzt bzw. eine Tierärztin Voraussetzung.

Strenge Kontrollen

Darüber hinaus wird der Einsatz von Antibiotika von staatlicher sowie wirtschaftlicher Seite überwacht. Tierhalter, die an der Initiative Tierwohl teilnehmen, sind beispielsweise verpflichtet, am Antibiotikamonitoring teilzunehmen. Daten zeigen, dass sowohl die Häufigkeit der Antibiotikatherapien (staatlich überwacht) als auch die Intensität des Einsatzes (Therapieindex) in den letzten Jahren gesunken sind.

Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist die Antibiotikaabgabemenge für Haus- und Nutztiere kontinuierlich gesunken und lag im Jahr 2022 bei 540 Tonnen, was einer Reduzierung um 68 % seit 2011 entspricht.

Antibiotika: Notwendige Maßnahme im Tierschutz

Gar keine Antibiotika einzusetzen, ist aber auch keine Lösung. Wichtig ist der sorgfältige und verantwortungsbewusste Einsatz, denn kranke Tiere müssen behandelt werden – notfalls mit Antibiotika. Das ist Bestandteil des Tierschutzes.

Fakt ist: Der Antibiotikaeinsatz erfolgt kontrolliert und nach der Maxime „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“.

Mythos 3: Zeit ist Geld – Turbomast dank Antibiotika?

Ein gängiger Mythos über die landwirtschaftliche Nutztierhaltung. Der Vorwurf: Unkontrollierter Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung diene nicht der Gesunderhaltung oder Therapie der Tiere, sondern allein der Turbomast. So sollen durch Gabe von Antibiotika die Bakterien im Darm der Tiere reduziert werden, damit diese das Futter besser verwerten können und schneller an Gewicht zulegen.

Antibiotika nur bei Krankheit

Tatsächlich ist es so, dass seit 2006 ein EU-weites Verbot zum Einsatz von Antibiotika als Wachstums- oder Leistungsfördermittel in Futtermitteln gilt. Bei der Antibiotikaanwendung sind die Landwirte bei der Massentierhaltung an eine ordnungsgemäße Behandlung, wie oben beschrieben, gebunden. Diese kann zwar sowohl therapeutisch als auch metaphylaktisch sein, muss aber in jedem Falle die Voraussetzungen einer Untersuchung und Kontrolle durch den Tierarzt erfüllen.

Fakt ist: Antibiotika dürfen auch bei Nutztieren nur im Krankheitsfall eingesetzt werden.

Mythos 4: Antibiotika in der Tierhaltung verursachen Resistenzen bei Tier und Mensch

Viele Verbraucher fürchten, dass Antibiotika in der Tierhaltung zur Bildung resistenter Keime beitragen. Dabei fällt oft unter den Tisch, dass das Vorkommen (multi-)resistenter Keime sich nicht nur auf die Landwirtschaft beschränkt, sondern auch für das Gesundheitswesen, Lebensmittel und die Umwelt relevant ist. Dabei lässt sich laut dem Robert-Koch-Institut aber nicht genau beziffern, zu welchem Anteil der Einsatz von Antibiotika bei landwirtschaftlichen Nutztieren am Resistenzproblem beim Menschen beteiligt ist. Fest steht aber, dass neben der Landwirtschaft auch die Humanmedizin durch breite Anwendung von Antibiotika eigene Resistenzprobleme schafft.

One-Health-Konzept: Verantwortung in der Human- und Tiermedizin

Unter dem gemeinsamen Bekämpfungsansatz One-Health-Konzept werden Landwirtschaft und Humanmedizin deswegen in der Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie (DART) als gleichwertig behandelt. Wie in der Tierhaltung gilt auch in der Humanmedizin: Unnötige Einnahme von Antibiotika oder vorzeitiger Abbruch einer antibiotischen Behandlung können zur Selektion resistenter Keime führen. Es gilt also in beiden Bereichen, die Behandlungsanweisungen einzuhalten und Antibiotika verantwortungsvoll und sorgfältig einzusetzen. Aber kranke Menschen und Tiere müssen zum Wohle aller nach wie vor behandelt werden.

Fakt ist: Die Ursachen für resistente Keime sind vielfältig. Wie groß der Einfluss aus der Nutztierhaltung ist, ist unklar.

Fazit: Antibiotika in der Tierhaltung – notwendig, aber streng kontrolliert

  • In Deutschland sind Antibiotika im Fleisch durch Wartezeiten und Rückstandskontrollen streng reguliert.
  • Der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung erfolgt nur unter tierärztlicher Kontrolle.
  • Mit Antibiotika werden Tiere nur bei Krankheit behandelt – nicht zur Wachstumsförderung.
  • Die Auswirkungen von Antibiotika im Fleisch auf Resistenzen sind komplex und nicht ausschließlich auf die Landwirtschaft zurückzuführen.

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika bleibt essenziell – in der Tierhaltung und in der Humanmedizin. Achten Sie bei ihrem nächsten Einkauf auf das Siegel der Initiative Tierwohl und unterstützen Sie damit bessere Haltungsbedingungen für Millionen Schweine, Hähnchen und Puten.

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