
„Kraftfutter“ ist ein Wort, das einem in der modernen Nutztierhaltung immer wieder begegnet. Vor allem bei der Haltung von Rindern, sei es zur Milch- oder Fleischproduktion, kommt Kraftfutter gezielt zum Einsatz. Doch was ist Kraftfutter eigentlich genau? Wieso wird es überhaupt eingesetzt? Und wie wirkt es sich auf das Tier aus?
Was ist Kraftfutter bei Kühen?
Unter Kraftfutter versteht man Futtermittel mit einem hohen Energie- und Nährstoffgehalt. Im Gegensatz zu Raufutter wie Heu oder Silage enthält Kraftfutter weniger Rohfaser, dafür aber deutlich mehr Eiweiß, Stärke oder Zucker. Es besteht häufig aus Getreide (z. B. Mais, Gerste, Weizen), Ölsaaten (wie Soja oder Raps) und industriell aufbereiteten Futtermischungen, die speziell auf den Bedarf der Tiere in ihrer jeweiligen Lebensphase und Nutzung (z. B. Wachstum, Trächtigkeit, Milchproduktion) abgestimmt sind. In der Regel wird Kraftfutter nicht als alleiniges Futtermittel eingesetzt, sondern in Kombination mit Raufutter.
Die Zusammensetzung des Kraftfutters für Kühe und weitere Nutztiere wird nach Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des europäischen Futtermittelrechts geregelt. Die Regelung beinhaltet folgende Punkte:
- Kennzeichnungspflicht für:
- Inhaltsstoffe (z. B. Rohprotein, Rohfaser, Energiegehalt)
- Fütterungshinweise
- Tierarten, für die das Futter bestimmt ist
- Verbot irreführender Angaben: Die Kennzeichnung darf nicht täuschen, z. B. über Wirkung oder Nährwert.
- Zulassungspflicht für Zusatzstoffe: Enzyme, Vitamine, Probiotika u. a. müssen separat genehmigt sein.
Auf nationaler Ebene wird die Regelung in Deutschland durch das Futtermittelgesetz (FGM) sowie die Futtermittelverordnung (FMV) ergänzt.
Welches Futter gibt es abseits des Kraftfutters für Kühe?
Das Grundnahrungsmittel, ohne Zugabe von Kraftfutter, ist in der Landwirtschaft sogenanntes Raufutter. Dazu gehören:
- Gras – auf der Weide oder frisch geschnitten
- Heu – getrocknetes Gras
- Silage – konserviertes, leicht vergorenes Grünfutter
Diese Futtermittel enthalten viel Rohfaser, die für die Verdauung wichtig ist, aber im Vergleich weniger Energie liefert.
Kühe: Kraftfutter vs. Heu – was ist der Unterschied?
Heu ist ein typisches Raufutter mit hohem Ballaststoffanteil. Es unterstützt die Kauaktivität der Tiere, regt die Speichelproduktion an und ist gut für die Pansenfunktion (der größte Vormagen von Rindern).
Kraftfutter hingegen ist viel konzentrierter. Es liefert in kleinen Mengen mehr Energie und Nährstoffe als große Mengen Heu. Das bedeutet: Tiere können schneller ihre benötigte Energie aufnehmen. Dies ist vor allem bei Milchkühen mit hohem Leistungsbedarf relevant.
Allerdings: Ein Zuviel an Kraftfutter kann bei Kühen die Pansenfunktion stören, da die Verdauung auf viel Rohfaser ausgelegt ist. Deshalb ist das richtige Verhältnis zwischen Kraft- und Raufutter entscheidend.
Das richtige Verhältnis von Rau- und Kraftfutter bei Kühen
Wie viel Kraft- und Raufutter eine Kuh benötigt, hängt stark von der Tierart, dem Leistungsziel und der jeweiligen Lebensphase ab. Die folgende Übersicht zeigt typische Verhältnisse in der Praxis – von der Milchkuh über Mastrinder bis hin zu Schweinen.
Milchkühe
- Raufutteranteil: mindestens 50 % der Trockenmasse der Tagesration
- In der Praxis: oft 60–70 % Raufutter, ergänzt durch 30–40 % Kraftfutter
- Ziel: Energiebedarf decken, ohne den Pansen zu überlasten
Mastrinder
- Raufutteranteil: oft 40–60 %
- Kraftfutter wird je nach Mastphase gesteigert, um schnelles Wachstum zu fördern
- In der Endmast kann der Kraftfutteranteil höher liegen, aber Raufutter bleibt wichtig für die Pansenfunktion
Wie verdauen Rinder und andere Wiederkäuer Kraftfutter?
Wiederkäuer wie Rinder haben ein mehrteiliges Magensystem, das besonders auf die Verdauung von faserreichen Pflanzen ausgerichtet ist. Kraftfutter wird im Pansen – dem größten der vier Mägen – schneller vergoren als Raufutter. Dabei entstehen Gase und Säuren, die bei falscher Fütterung zu Problemen führen können, etwa Pansenübersäuerung (Azidose).
Deshalb ist es wichtig, dass Kraftfutter bei Kühen und anderen Nutztieren langsam angefüttert wird und immer in Kombination mit Raufutter gegeben wird. Eine ausgewogene Fütterung sorgt dafür, dass die Verdauung stabil bleibt.
Wie wirkt sich Kraftfutter bei Kühen auf Milchleistung und Fleischqualität aus?
Bei Milchkühen kann Kraftfutter die Milchleistung deutlich steigern. Hochleistende Kühe benötigen mehr Energie, als sie allein über Gras oder Heu aufnehmen könnten. Kraftfutter hilft, diese Lücke zu schließen.
Auch bei der Mast von Rindern sorgt Kraftfutter für ein schnelleres Wachstum, da es mehr Energie pro Kilogramm liefert. Die Zusammensetzung des Kraftfutters kann sich bei der Kuh auch auf die Fleischqualität auswirken – etwa auf den Fettanteil oder die Marmorierung.
Wichtig ist dabei die genaue Abstimmung: Einseitige oder übermäßige Kraftfuttergaben können zu Stoffwechselproblemen führen und damit auch die Tiergesundheit belasten.
Kraftfutter und Tierwohl – wie passt das zusammen?
Tierwohl bedeutet mehr als nur gutes Futter. Es umfasst Aspekte wie tiergerechte Haltung, Gesundheit, Bewegung und Stressfreiheit. Doch auch die Fütterung spielt eine wichtige Rolle.
Richtig dosiertes Kraftfutter kann bei Kühen und anderen Nutztieren einen Beitrag zum Tierwohl leisten – etwa indem es leistungsbedingte Energiedefizite ausgleicht und Mangelerscheinungen verhindert. In diesem Sinne kann Kraftfutter helfen, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Tiere zu unterstützen.
Auf der anderen Seite kann ein zu hoher Kraftfutteranteil in der Ration Verdauungsprobleme, Stress und Verhaltensstörungen verursachen. Studien zeigen, dass z. B. bei Milchkühen eine unausgewogene Fütterung mit hohem Kraftfutteranteil das Risiko für Pansenazidose oder Klauenprobleme erhöhen kann.
Das Ziel sollte also immer sein, Kraftfutter gezielt und verantwortungsvoll einzusetzen – angepasst an Tierart, Leistungsniveau und individuelle Bedürfnisse.
Kraftfutter bei Kühen & Co. – wichtig, aber mit Augenmaß
Kraftfutter ist aus der modernen Nutztierhaltung nicht mehr wegzudenken. Es liefert wichtige Nährstoffe und Energie – besonders für leistungsstarke Tiere wie Milchkühe oder Masttiere. Gleichzeitig erfordert sein Einsatz ein feines Gespür für die richtige Menge und Zusammensetzung. Nur wenn das Kraftfutter bei Kühen und weiteren Nutztieren sinnvoll kombiniert wird – mit Raufutter, ausreichend Bewegung und guter Haltung –, kann es Teil einer tierwohlgerechten Fütterung sein.
Ob für Rind, Schwein oder Geflügel: Kraftfutter ist ein Werkzeug. Wie bei jedem Werkzeug kommt es darauf an, wie man es einsetzt.